Oldenburger Schriften zum Öffentlichen Recht

Dieter Sterzel

Privatisierung der Bewährungs- und Gerichtshilfe

Verfassungsrechtliche Grenzen einer Verlagerung von Hoheitsaufgaben auf Private

Eine Privatisierung der Bewährungs- und Gerichtshilfe widerspricht den im Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip sowie im Funktionsvorbehalt gemäß art. 33 Abs. 4 GG festgelegten verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben im Justizbereich.

Die Bestrebungen der Politik, Teile aus dem staatlichen Gewaltmonopol, konkret aus Strafverfolgung und Strafvollstreckung herauszubrechen und zu privatisieren, werden kontrovers diskutiert. Seit 2005 werden in Baden-Württemberg auf gesetzlicher Grundlage die bislang in hoheitlicher Organisationsform wahrgenommenen Aufgaben der Bewährungs- und Gerichtshilfe auf einen privaten Träger als Beliehenen übertragen. Der Gesetzgeber hat dabei verkannt, dass der im Strafgesetzbuch, in der Strafprozessordnung und im Jugendgerichtsgesetz festgelegte justizspezifische Amtsauftrag der beiden sozialen Dienste der Justiz integraler Bestandteil einer grundrechtsorientierten, rechts- und sozialstaatlich fundierten Strafrechtspflege ist. Die dem Schutz und Sicherheitsbedürfnis der Bürger dienende funktionsgerechte Erfüllung des Strafverfolgungsanspruchs gehört nicht zuletzt wegen der damit verbundenen Grundrechtseingriffe zu den klassischen Staatsfunktionen. Der Verfasser gelangt zu dem Ergebnis, dass eine Entstaatlichung originärer hoheitlicher Aufgaben im Bereich der Rechtspflege verfassungswidrig ist. Der Funktionsvorbehalt gemäß art. 33 Abs. 4 GG sowie das Demokratie- und Rechtstaatsgebot enthalten zwingend die Verpflichtung, dass die öffentliche Hand für die zum Kernbereich der Staatlichkeit gehörende Strafverfolgung und Strafvollstreckung uneingeschränkt die Erfüllungsverantwortung trägt. Bewährungs- und Gerichtshilfe sind deshalb auch künftig vom Staat durch seinen eigenen Verwaltungsapparat mit Hilfe der dafür bestellten Beamten zu erfüllen.

Die Untersuchung ist sowohl für die im Bereich der Bewährungs- und Gerichtshilfe Tätigen als auch für die mit der Verwirklichung einer sozialen Strafrechtspflege befassten Akteure der Gesetzgebung bzw. der Justizverwaltung von besonderem Interesse.

Bd. 1, XVI, 180 S., Edewecht 2006, € 29,80
ISBN-13 978-3-939704-04-1

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